Viola Schubert-Lehnardt: Rezension Konzeptionen des Humanismus

Horst Groschopp Konzeptionen des Humanismus. Alphabetische Wortverwendung in deutschsprachigen Texten. Alibri Verlag Aschaffenburg 2018, ISBN 978-3-86569-271-9, 313 S.

Wer braucht in Zeiten von google, wikipedia und diversen weiteren Internetangeboten eigentlich eine „alphabetische Sammlung zur Wortverwendung“? mag sich so manche LeserIn fragen, die den Titel irgendwo auf einem Büchertisch oder im Netz entdeckt hat. Naja, vielleicht die diversen Angehörigen der verschiedenen humanistischen Organisationen und Verbände, um ihre Unterschiede besser herausarbeiten zu können? Aber was nützt das Buch den anderen?

Zumindest denjenigen, die mit studentischen und schulischen Lehrplänen befasst sind, wird sich dies schnell erschließen: tobt doch seit Jahren in den verschiedenen Bundesländern mit unterschiedlicher Intensität ein Streit um die Einführung des Faches „humanistische Lebenskunde“ bzw. die Anteile einer „Geschichte des Humanismus“ am Ethik- und Philosophieunterricht. Und bevor dort entschieden, Anteile definiert und beschlossen werden kann, wer dies unterrichten darf, muss zunächst geklärt werden, was jeweils unter „Humanismus“ verstanden werden soll. Das dies durchaus nicht so selbstverständlich ist, wie frau meinen könnte, weist der Autor an Hand einer Reihe von Publikationen nach, so habe z.B. Joachim Kahl 2005 ein Buch mit dem Titel „Weltlicher Humanismus“ publiziert, ohne den Begriff zu definieren.
In seiner Einleitung zum vorliegenden Buch erläutert Horst Groschopp nicht nur die unterschiedlichen Motive für den Umgang mit den Begriffen „Humanismus“ bzw. „humanistisch“, sondern unterschiedliche Ausdehnungen des jeweiligen Begriffsverständnisses und jeweils dahinter stehende praktische oder theoretische Vorhaben. Zur besseren Übersichtlichkeit nimmt der Autor 12 Zuordnungen vor: Humanismus als kulturelle Bewegung, als Bildungsbewegung, als Epoche, als Traditionsbewegung, als Weltanschauung, als Form praktischer Philosophie, als politische Grundhaltung, als Konzept von Barmherzigkeit, als nationale Konzeption, als Ergänzung zu Theologien, als ideologische Interpretation und als Appellfunktion. In der Sammlung von ca. 300 Bedeutungen enthält sich Groschopp wohlweislich eigener Wertungen, verweist jedoch auf offene Forschungsfragen: so z.B. „was am Humanismus weltanschaulich sei“.
Das Buch enthält neben dem alphabetischen Verzeichnis des „Humanismus von A bis Z“ eine exzellent recherchierte Auswahlbibliographie der wissenschaftlichen Literatur, die den Begriff „Humanismus“ zum Gegenstand hat und ein Personenverzeichnis. Damit ist es hervorragend für weitere Forschungsarbeiten geeignet. Wer nicht unbedingt weiter forschen will, aber schon immer mal wissen wollte, was eigentlich „sächsischer“ oder „kybernetischer“ Humanismus ist, der schlage das Buch auf und beginne zu lesen.

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