Michael Ramminger: Herr de Maizière

Sehr geehrter Herr de Maizière,

Als protestantischer Christ sollten Sie doch eigentlich wissen, dass man anderen Leuten am Sonntagmorgen nicht schon dieselbe Miesepetrigkeit aufzwängen sollte, mit der man selbst herumläuft. Haben sie aber gemacht mit ihren Thesen zur „deutschen Leitkultur“. Die sind nämlich keine ernsthafte Einladung zur Diskussion, sondern ziemlich elendiger Ausdruck nationalprotestantischer Weltdeutung.

Die Religionen sollen „Kitt und nicht Keil der Gesellschaften“ sein, schreiben Sie. Als Christ kann ich nicht für andere Religionen sprechen. Aber mir ist natürlich klar, dass sie das gerne so hätten. Der Staat als oberster Wächter, dem man sich zu beugen hat. „Unser Staat ist weltanschaulich neutral …“ schreiben Sie weiter. Nein. Ist er natürlich nicht. Der Staat ist Teil der Herrschaftsverhältnisse, in Form des Bundesamts für Flucht und Migration, in dem Unternehmensberatungen das Maß der Asylanerkennungen bestimmen, in Form der Arbeitsagentur, die Menschen drangsaliert, sie um ihre Ansprüche bringt etc. Da nützt es auch nichts, wenn Sie Bildung und Erziehung „als Wert und nicht allein als Instrument“ bezeichnen, wenn Ihre Regierung zugleich die Ökonomisierung und Instrumentalisierung des Bildungssystems vorantreiben.

Sie rufen Vermummungsverbot und Burka auf und sagen: „Wir zeigen Gesicht“ und konstruieren damit in der totalen Totalitarismustheorie einen Gleichklang zwischen Demonstrierenden, die sich in ihrem Kampf für Menschenrechte aus Schutz vor der vermummten Polizei maskieren und Burka tragenden Frauen: Beide sind wohl in ihren Synapsen unmittelbar mit Gewalt und Chaos verbunden. Die gleiche erbärmliche Angst hatte schon Luther und hat deshalb seinen Teil dazu beigetragen, dass Thomas Münzer, der sich für die Rechte der verelendeten Bauern und die Rechte der Handwerker eingesetzt hatte, hingerichtet wurde. „Wer sich seiner Leitkultur sicher ist, ist stark“. So spricht nur der, der Angst hat. Wo bleibt denn ihr gnädiger Gott? Etwas mehr paulinischer Mut zur Gemeinschaft mit den Anderen würde ihnen gut zu Gesicht stehen. Wir haben jedenfalls keine Angst, von den paar Burka tragenden Frauen in die Luft gejagt zu werden. Eher schon davor, von ihrer Politik weiter ins globale Elend gestürzt zu werden.
Deshalb, lieber Unbruder de Maizière, müssen wir sie enttäuschen. Wir werden nicht Kitt, sondern Keil der real exisitierenden Gesellschaft sein und bleiben. Unsere Aufgabe ist es nicht, das Elend zu verewigen, sondern zu unterbrechen. Ganz so, wie es all diejenigen tun, die sich dem Kampf für Menschenrechte verschrieben haben. Egal, woran sie sonst noch glauben. Also Gal 3,28: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ‚Einer‘ in Christus Jesus.“  Das wär doch mal eine Kultur. Und wenn die sich dann in der deutschen Regierungspolitik niederschlagen würde, wären wir alle weiter. Allein solche Gedanken bescheren mir jedenfalls einen fröhlichen Sonntagmorgen.

Gott und den Menschenrechten zum Gruße

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