Viola Schubert-Lehnhardt: Buchbesprechnung: Wie geht Frieden?

Im Alibri Verlag erschien soeben in der Publikationsreihe der Humanistischen Akademie Deutschland (HAD) eine Schrift mit dem Titel „Wie geht Frieden? Humanistische Friedensethik und humanitäre Praxis.“ Der Herausgeber dieses Bandes, der Philosoph Ralf Schöppner, beginnt sein Vorwort mit dem Hinweis auf eine „Merkwürdigkeit“ des Begriffs Frieden: er sei „nicht gerade schillernd, kaum aufregungsheischend im Mediengeschäft und auch nicht frei von negativen, zuweilen klischeehaften Assoziationen. Und doch (sei) „Frieden“ ein humanistischer Grundbegriff, denn er (sei) wesentliche Voraussetzung für ein gutes menschliches Leben…“ (S. 7). Logischerweise beginnt der Band daher mit Beiträgen zur historischen Entwicklung dieses Begriffs: Antike (Hubert Cancik), Humanisten der Frühen Neuzeit (Frieder Otto Wolf), humanistische Friedensethik heute (Thomas Heinrichs und Ralf Schöppner). In dieser Gedankenlinie wird insbesondere die zunehmende Ablösung des Begriffs von christlichen Bezügen deutlich. Hervorhebenswert ist in diesem Zusammenhang auch die ausführliche Beschäftigung von Stefanie Hartmannsgruber mit der nahezu vergessenen Pazifistin und Schulreformerin Lilli Jannasch.

Gleichzeitig erweist es sich als notwendig, den Begriff Humanismus zu definieren, um Friedensethik heute erläutern zu können. Heinrichs und Schöppner zitieren dazu aus einem vorhergehendem Band dieser Reihe „Humanismus ist eine Philosophie, eine kulturelle Tradition, eine soziale Bewegung, eine Weltanschauung, ein Zusammenhang von Werten und Normen, eine Alltagspraxis, ein Bildungsideal, eine Gemeinschaftsform, ein Epochebegriff…“

Humanistische Friedensethik definieren sie als eine ethische Position, „die den Frieden uneingeschränkt als positiven Zustand und Prozess begreift, den Krieg als Mittel der Politik grundsätzlich ächtet und Gewalt gegenüber Anderen nur in eng definierten Ausnahmefällen zulässt“ (S. 56). Wohlweislich werden dann keine solchen Ausnahmen vorgestellt… Statt dessen wird jedoch breit auf ein anderes Streitthema unter HumanistInnen eingegangen: wollen/brauchen wir humanistische Militärseelsorger bzw. – berater? Ist eine solche Forderung mit humanistischen Grundpositionen vereinbar? Hierzu sind eine Reihe von Beiträgen der 2013 stattgefundenen Konferenz „Der reflektierende Soldat“ aufgenommen worden. Kern der Kontroverse ist, ob die Forderung nach Gleichstellung des humanistischen Verbandes mit den christlichen Kirchen in Deutschland zwingend auch die Forderung nach vom Bund bezahlten humanistischen Militärberatern beinhalten kann bzw. muss oder ob eine solche Forderung prinzipiell mit den humanistischen Grundprinzipien unvereinbar ist. R. Schöppner argumentiert in seinem Beitrag („Der reflektierende Soldat“), dass diese Forderung keineswegs primär am finanziellen Aspekt ausgerichtet sei, sondern am „Seelsorgebedarf“ der SoldatInnen. In diese Richtung zielt auch der Erfahrungsbericht von Annie van Paemel zur „Humanistischen Soldatenbetreuung in Belgien“. Thomas Heinrichs erläutert dagegen (unter ausführlichen Verweisen auf die jetzt schon existierenden gesetzlichen Grundlagen), warum wir (d.h. der humanistische Verband) „Soldaten humanistisch beraten, uns aber dafür nicht von der Bundeswehr bezahlen lassen sollten“ (S. 135). Gleichzeitig wird in beiden Beiträgen auf Möglichkeiten und Inhalte des lebenskundlichen Unterrichts in der Bundeswehr eingegangen. Auch hier vertritt Th. Heinrichs die Position, dass Erfahrungen von HumanistInnen mit dem lebenskundlichen Unterricht nicht dazu (ver)führen sollten, auch humanistischen Unterricht in der Armee anzubieten. Die Rezensentin stimmt Heinrichs Wertung uneingeschränkt (ebenfalls in bezug auf den LKU) zu, dass „die Vorstellung humanistische Soldatenberater könnten in der Bundeswehr eine humanistische, antimilitaristische Weltanschauung vertreten, … bestenfalls als politisch naiv zu bezeichnen (ist), schlimmstenfalls als geheuchelt und der untaugliche Versuch, sich um die eigene positive Stellungnahme zum Krieg als Mittel der Politik zu drücken“ (S. 149). Gleichwohl wird die Debatte dazu auch unter HumanistInnen weiter zu führen sein. Der vorliegende Band liefert dazu eine exzellente Grundlage – nicht zuletzt auch durch die von Angelika B. Hirsch vorgenommene Analyse des Bildes vom Soldaten in Grimms Märchen.

Ralf Schöppner (Hrsg.) Wie geht Frieden?

Humanistische Friedensethik und humanitäre Praxis.

Alibri Verlag Aschaffenburg 2017,

ISBN 978-3-86569-191-0, 197 S.

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