Gemeinwirtschaft stärken

Auf der Flugschriftverantstaltung „Den Kapitalismus überwinden. Mit Luther, Marx & Papst.“ am 25. Mai in der Emmauskirche in Berlin ruft Bodo Ramelow zu mehr genossenschaftlichen Handeln auf. Der Gedanke der Gemeinwirtschaft sei trotz der Fehlerentwicklungen von „Neue Heimat“ und „KOOP“ durchaus richtungsweisend. Er will auch künftig für konkrete Veränderungen für die Menschen eintreten, wie eine gute Gesundheitsversorgung für alle, statt renditeorientierte Krankenhauskonzerne, für eine Rente die von allen erwirtschaftet wird und deshalb auch nicht den Kapitalmärkten ausgeliefert werden darf, sondern in einem gerechten Umverteilungssystem in das alle Einkommen einbezogen werden müssen, auch Vermögenseinkommen ohne Bemessungsgrenzen, sondern nach Leistungsfähigkeit. Für eine solche Bürgerversicherung für Rente und Gesundheit würde er auch künftig werben.

Der Theologieprofessor Ulrich Duchrow unterstützte hierin den Thüringischen Ministerpräsidenten und betonte, dass die Frage „Rechnet sich das für mich?“ ganz verheerende Auswirkungen auf das Zusammenleben und die psychische Verfasstheit der Menschen hat. In seiner soeben ershienen Flugschrift führt er aus:

Ein Gott, der gratis schenkt, ändert alle Beziehungen, auch die ökonomischen und vor allem die sozialen. Umgekehrt sind Mammonsdiener gezwungen, auf alle Weise Güter und Dienstleistungen an sich zu bringen. Und wenn ein ökonomisches System darauf aufgebaut ist und davon angetrieben wird, dass alle Eigentümer so viel wie möglich akkumulieren, dann funktioniert das nur auf Kosten anderer. Genau hier sieht Luther die Verkoppelung von Gottes- oder Götzenbezug und kapitalistischem System. Im großen Katechismus zeigt er mit seiner Auslegung des 7. Gebots »Du sollst nicht stehlen«, welche strukturellen ökonomischen und sozialen Folgen sich aus der Abgötterei ergeben: »denn es sol … nicht allein gestolen heissen, das man kasten und aschen reumet, sondern umb sich greiffen auff den marckt, in alle kreme [Geschäfte], scherren [Fleischerbuden], wein und byr keller, werckstete und kuerzlich, wo man hantieret, gelt um wahre oder arbeit nimpt und gibt … Also auch fort auff dem marckt und gemeinen hendeln gehet es mit voller macht und gewalt, da einer den andern oeffentlich mit  falscher ware, mas, gewicht, muentze betreugt und mit behendickeit und seltzamen fynantzen [Betrügereien, Finanztricks] odder geschwinden fundlin. Jtem mit dem kauff ubersetzet [übervorteilt] und nach seinem mutwillen beschweret, schindet und plagt. Und wer kan solchs alles erzelen odder erdencken? Summa, das ist das [all]gemeinste handwerck und die grosse zunfft auf erden und wenn man die welt itzt durch alle stende ansihet, so ist sie nichts anders denn ein grosser, weitter stall vol grosser diebe. Darumb heissen sie auch stulreuber [Personen, die Zins nehmen = Wucherer], land und strassen diebe, nicht Kastenreuber noch meuchel [heimliche] diebe, die aus der barschafft zwacken, sondern die auff dem stul sitzen, und heissen grosse Junckern und ersame, frome burger und mit gutem schein rauben und stelen … die grossen gewaltigen Erzdiebe (mit welchen herrn und Fuersten gesellschafft machen), die nicht eine stad odder zwo sondern ganz deutschland teglich austelen.« (WA 30.1: 164f.)
Luther redet hier sehr präzise ökonomisch. Es geht ihm ausdrücklich nicht um die kleinen Diebe, sondern um das frühkapitalistische Marktsystem als Raubsystem. Er redet zwar auch von konkretem Fehlverhalten wie Warenbetrug, falsche Waage oder Finanztricks. Er nennt es »übervorteilen«. Aber er zieht die Summe  daraus, dass das Gesamtsystem »ein weiter Stall voll großer Diebe« ist. Er spricht von »durch alle Stände«. Das heißt, alle, die in diesem System mit Wirtschaft zu tun haben, alle die mit Politik zu tun haben,  und alle, die mit Kirche zu tun haben, sind Teil dieses Raub-Marktsystems.

(aus Ulrich Duchrow: Mit Luther, Marx & Papst den Kapitalismus überwinden Eine Flugschrift
in Kooperation mit Publik-Forum, 156 Seiten, EUR 14.00
ISBN 978-3-89965-753-1 VSA: Verlag Hamburg 2017 )

Auch Katja Strobel, eine junge katholische Theologin vom Institut für Theologie und Politik an der Uni Münster, möchte vor allem an der Basis etwas bewegen. Ihr Beispiel ist das Kirchenasyl. Sie wurde im vergangen Jahr auf dem Höhepunkt der Geflüchtetenhilfe in Deutschland häufig von Gemeinden eingeladen, aber als es schließlich darum ging, was gegen die Ursachen der Flucht zu tun, sprangen viele ab. Es sei aber ein notwendiger Prozess, sich mit der Basis in konkreten sozialen Konflikten zu engagieren. Hier nannte Sie vor allem die Mieterinititiven, die sich für bezahlbaren Wohnraum und sozialen Wohnungsbau einsetzen. Nur durch gemeinschaftliches Handeln könnten sich die Menschen emanzipieren, waren sich die drei RefertentInnen auf dem Podium einig. Der Moderator und Chefredakteur von Publik Forum Wolfgang Kessler bedohnte, dass Publik Forum mit derartigen Veranstaltungen außerhalb des offiziellen Kirchentages Haltung zeige und einen wichtigen Beitrag zum Hinterfragen leiste, was der volle Kirchensaal auch bestätige.

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