Viola Schubert-Lehnhardt: Rezension: Deutschland ist eins: vieles.

 

Deutschland ist eins: vieles. Bilanz und Perspektiven von Transformation und Vereinigung. Campus Verlag Frankfurt a. M., 2021, ISBN 978-3-593-51436-9, 550 S.

Dieses im Auftrag der von der Bundesregierung 2019 berufenen Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ herausgegebene Buch enthält 5 Studien, die gleichfalls von dieser Kommission initiiert worden sind. Ausgangspunkt war die Erfahrung, dass schon bei den Einheitsfeierlichkeiten 2016 festgestellt wurde, dass im „Osten offenbar nicht alle die deutsche Einheit als Erfolgsgeschichte verstehen und erzählen wollen“ (S. 16). Wieso der damalige Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel, wie im Vorwort erwähnt, dies erst 2016 bemerkt haben wollen, ist mir schleierhaft…

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Viola Schubert-Lehnhardt: Rezemsion: Toleriert und kontrolliert.

Uwe Grelak, Peer Pasternack: Toleriert und kontrolliert. Konfessionelles Bildungswesen auf dem Gebiet Sachsen-Anhalts 1945 – 1989 Mitteldeutscher Verlag GmbH, Halle-Saale, 2021, ISBN 978-3-96311-562-2, 364 S.

Derzeit laufen in Deutschland vielfältige Diskussionen um den Religionsunterricht: soll er in -oder außerhalb der Schulen stattfinden, wer soll unterrichten, wie und wo sollen die Lehrkräfte dafür ausgebildet werden, welche Inhalte sollen überhaupt gelehrt werden etc. Heftige Debatten gab es insbesonderel um die Ausbildung von Imamen in Deutschland als auch derzeit zur Einführung von jüdischem Religionsunterricht an Schulen Sachsen-Anhalts.

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Rezension: Konformistische Rebellen

Zur Aktualität des autoritären Charakter

Fast 100 Jahre liegen die ersten Arbeiten von Erich Fromm und Max Horkheimer zurück mit der die „Kristische Theorie“ entwickelt wurde. Welche sozialpsychologischen Verhältnisse begünstigen die Entwicklung des Faschismus und welche Charaktere waren hierfür maßgeblich. Ein Sammelband von Aufsätzen, die aus einer Veranstaltungsreihe des Rosa-Luxemburg-Clubs Trier entstanden ist, beschäftigt sich mit den verschiedenen Aspekten und versucht zu ergründen inwieweit der auatoritäre Charakter und seine Theorie heute noch aktuell sind oder welche Teile neu interpretiert, verworfen oder weiterentwickelt werden müssten. Dieser Sammelband kann beim Verbrecher-Verlag für 24 Euro erworben werden und hat einen Umfang von 424 Seiten.

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Viola Schubert-Lehnhardt Rezension: Die Selbstgerechten

Sarah Wagenknecht Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt Campus Verlag Berlin/New York 2021, ISBN 978-3-593-51390-4, 345 S.

Wie schreibt frau eine Rezension zu einem Buch, dass schon vor seiner Auslieferung an den Buchhandel quer durch alle Medien verrissen wurde? Lohnt sich das Lesen überhaupt? Zumindest die Antwort auf die letzte Frage ist für DDR-sozialisierte Menschen einfach – nichts ist so interessant wie das, was man nicht lesen soll bzw. das, was von den Leitmedien abgelehnt wird. Und ich habe mich noch an folgendes Bonmot erinnert „Am Helm eines guten Genossen stammen auch einige Beulen vom Feind“. Also: let´s go!

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Viola Schubert-Lehnhardt Rezension: Die Gesellschaft der Anderen

Zwei Autorinnen erzählen sich und uns ihre Lebensgeschichte(n) und damit verbundenen Diskriminierungserfahrungen – die Sozialwissenschaftlerin Naika Foroutan aus migrantischer Sicht, die Kulturjournalistin Jana Hensel aus ostdeutscher. Beide Gruppierungen stehen immer wieder im Zentrum zahlreicher scheinbar identischer, zumindest ähnlicher Debatten – wegen fehlender Teilhabe und mangelnder Repräsentanz in Medien und Gremien. Das Gespräch zwischen Naika Foroutan und Jana Hensel zeigt jedoch sehr schnell, dass es trotz annäherungsweise vorhandenen Gemeinsamkeiten auch zahlreiche Divergenzen und vor allem unterschiedliche Sichtweisen beider Autorinnen zu den jeweiligen Ursachen der von ihnen gemachten Erfahrungen gibt. Insofern ist das Buch ein Streitgespräch über das Thema Dominanz- und Randgruppen in Deutschland. Jana Hensel schätzt dazu ein, dass im Wahljahr 2021 „bisher keine Partei ein Programm gegen jene gesellschaftlichen Ungleichheiten vorgelegt hat, die unsere Gruppen betreffen“ (S. 324).

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Viola Schubert-Lehnardt Rezension: Religionsfreiheit auf dem Prüfstand

„Religion ist eine gesellschaftliche Realität, die der Staat nicht ignorieren kann. Andernfalls riskiert er die Verhärtung diskriminierender Strukturen, die Herausbildung geschlossener separater Milieus und gesellschaftliche Spaltungen“ (S. 144). Religionsfreiheit wird nichtsdestotrotz zum einen vielfach verletzt, zum anderen fehlinterpretiert – von Menschen unterschiedlichster politischer Ausrichtung. Beide Autoren haben langjährige internationale Erfahrungen zu diesem Thema und tragen daher mit ihrem Buch zur inhaltlichen Klarstellung dieses Menschenrechts und seinem Verhältnis zu anderen Rechten ebenso bei (um kaum einen anderen Bestandteil der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sei im Vorfeld so heftig gerungen wurden, wie um Artikel 18), wie zur Analyse der vielfältigen konkreten gesetzlichen Regelungen und Pratiken in einzelnen Ländern.

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Evangelikale transatlantische Netzwerke zur Produktion von Feindbildern

Rezension

Sie tragen unscheinbare meist harmlos oder gar fortschrittlich klingende Namen und üben Einfluss aus auf Politik, Medien und internationale Institutionen wie OSZE und UNO. Gemeint sind islamfeindliche Netzwerke, die Oliver Wäckerlig in seiner Arbeit „Vernetzte Islamfeindlichkeit – Die transatlantische Bewegung gegen »Islamisierung«.“ erforschte. Diese erschien beim transcript-Verlag und kann auf dessen Website auch als eBook kostenfrei heruntergeladen werden. Der Schweizer Soziologe und Religionswissenschaftler untersucht darin Akteure, Events und Medien auf deren Funktion und Position in islamfeindlichen, rechtsextremen Netzwerken.

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Ulrich Duchrow: Rezension „Wir waren Kirche inmitten der Armen“

Wer einen der Hauptgründe verstehen will, warum heute – vergleichbar allen lateinamerikanischen Ländern – 30% der Bevölkerung Brasiliens zu den evangelikalen und neupfingstlerischen Gemeinschaften, also der Wählerschaft eines Bolsonaro, gehören, muss dieses Buch lesen. Es beschreibt die beeindruckende Geschichte, wie angesichts der auf soziale Gerechtigkeit zielenden Politik des demokratisch gewählten Präsidenten von Chile, Salvador Allende, innerhalb der Kirche und Ordensgemeinschaften sich Kräfte organisieren, um mit den ArbeiterInnen, den BewohnerInnen der Armenviertel (poblaciones) und den linken Parteien gemeinsam für das Gelingen dieses demokratisch-sozialistischen Projekts zu kämpfen. Aber sie erhielten nicht die Unterstützung der Mehrheit der katholischen Hierarchie. Sie distanzierten sich von dieser Revolution, Teile begrüßten sogar den dann folgenden Putsch durch Pinochet. So wurde die Chance der Kirche vertan, an der Seite der Masse der Bevölkerung zu stehen. Das nutzten dann eben die Evangelikalen.
In den in Chile einmalig dramatischen Jahren 1971-73 formierte sich die Bewegung Christen für den Sozialismus (Cristianos por el Socialismo/CPS). Anhand ihrer Geschichte entfaltet das Buch die Chance und den Niedergang der befreiungstheologischen Bemühungen nicht nur in Chile, sondern in ganz Lateinamerika. Sie waren ermutigt worden durch das 2. Vatikanische Konzil und das daran anschließende berühmte Treffen der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Medellin 1968, das die Kirche zur Option für die Armen verpflichtete. Dem aber war die Bischofskonferenz in Chile nicht gefolgt.

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Viola Schubert-Lehnardt Rezension: Die Kirche im Kopf

Carsten Frerk/Michael Schmidt-Salomon Die Kirche im Kopf.
Von „Ach Herrje!“ bis „Zum Teufel“ 
Alibri Verlag, Aschenburg 2007, 
ISBN 978-3-86569-024-1, 286 S

Achtung, dieses Lexikon dient der Gehirnwäsche“ – lautet der einleitende Satz dieses Buches– so dann wird jedoch erläutert, dass das Wort „Gehirnwäsche“ nicht im Sinne destruktiver Manipulation verwandt werden soll, sondern in der Bedeutung von „gründlicher Reinigung“, denn schließlich wäre nicht einzusehen, dass man allen anderen Organen jede erdenkliche Pflege angedeihen lasse, nur dem wichtigsten nicht, dem zentralen Nervensystem! (vgl. S. 5) „Wie mit einem Computer-Virenschutzprogramm“ soll das Buch „nach Überresten religiöser Viren in unseren Köpfen“ fahnden und „unerwünschte Einträge aus der mentalen Matrix“ löschen (S. 7). Insofern erhebe dieses Lexika im Unterschied zu anderen auch nicht den Anspruch weltanschaulich neutral zu sein – will jedoch die Fakten unverzerrt präsentieren. Die Beurteilung der Fakten selbst erfolge aus „einer dezidiert freigeistigen, humanistischen Perspektive“ – so die Herausgeber in ihrem Vorwort (S.8). Sie wünschen dann eine vergnügliche Lektüre – dieser Wunsch ging zumindest für die Rezensentin in hohem Maße in Erfüllung.

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